Multiple Stressoren in Ökosystemen
Der Einfluss von multiplen Stressoren auf Lebensgemeinschaften, Nahrungsnetze und Ökosystemfunktionen ist ein wichtiger Forschungsbereich des Lehrstuhl Tierökologie. Es werden die Effekte von biotischen Stressoren, wie Räuber und Parasiten, und auch von anthropogenen Stressoren, wie sogenannte „Micropollutants“, getestet. Dabei werden die Auswirkungen simultan einwirkender Stressoren exemplarisch anhand Wirt-Parasit und Räuber-Beute Interaktionen untersucht. Ein grundlegendes Verständnis über den Einfluss von multiplen Stressoren auf Organismen und Lebensgemeinschaften spielt eine essentielle Rolle in der Biodiversitätsforschung. In den interdisziplinär angelegten Studien werden aktuelle molekularbiologische Methoden, klassische experimentelle Ansätze in Labor und Freilandstudien, sowie moderne bildgebende mikroskopische Verfahren verwendet.
Laufende Projekte
EcoGlob - Ecosystems under Global Change
in Zusammenarbeit mit der JMU Würzburg
Gefördert durch:
- Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
- Förderprogramm Exzellenzverbünde und Universitätskooperationen (EVUK) (2021)
Mit einer der derzeit dringlichsten Forschungsfragen weltweit befasst sich das Verbundprojekt: „Auswirkungen des globalen Wandels auf Biodiversität und Ökosystemfunktionen“.
Antragsteller sind die Julius-Maximilians Universität Würzburg und die Universität Bayreuth. Sprecher an der JMU ist Professor Ingolf Steffan-Dewenter, Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie. An der Universität Bayreuth ist der Sprecher Professor Christian Laforsch, Tierökologie I.
Die komplexen Veränderungen der Umwelt durch Klimawandel, Landnutzung, Schadstoffe und Ressourcenverbrauch erfordern nach Ansicht der beteiligten Forscher und Forscherinnen zwingend eine fachübergreifende Herangehensweise, die vielfältige Aspekte berücksichtigt, um ein besseres Verständnis der langfristigen Auswirkungen auf Biodiversität, Ökosystemfunktionen und geochemische Stoffkreisläufe zu erlangen. Das Verständnis dieser Prozesse ist die Voraussetzung für die Entwicklung zukunftsweisender und nachhaltiger Lösungen für dieses weltweite Umweltproblem. Die Beteiligten wollen dafür die wissenschaftliche Basis schaffen.
- Informationen zur Hightech Agenda Bayern und zur Hightech Agenda Plus
- Informationen zur Exzellenzstrategie
BayÖkotox - Ökotoxikologische Effekte von Feinstaubpartikeln aus motorischen Verbrennungsprozessen auf Insekten
In unserer modernen Industriegesellschaft werden zunehmend immer mehr Stoffe und Partikel durch unser Handeln und Wirtschaften in die Umwelt eingetragen und hinterlassen dort sichtbare und weniger sichtbare Spuren. Unter bestimmten Bedingungen können Substanzen das Gleichgewicht n Ökosystemen beeinflussen und diese nachhaltig destabilisieren. Zudem verbleiben mache Substanzen langfristig in der Umwelt. Der Einfluss vieler anthropogener Substanzen auf Ökosysteme ist immernoch nicht geklärt.
Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz hat das Bayerische Landesamt für Umwelt den Projektverbund "BayÖkotox − Ökotoxikologische Bewertung von Stoffen in der Umwelt" konzipiert. Ziel ist es, erfolgversprechende Strategien zur ökotoxikologischen Bewertung von Stoffen, Stoffgemischen bzw. Stoffeinträgen in die Umwelt zu entwickeln. Die besondere Form der Verbundforschung ermöglicht es, einzelne Projekte miteinander zu vernetzen. Das fördert den gegenseitigen Austausch der Forschungsgruppen und ermöglicht Synergieeffekte. Die bestehende Expertise im Bereich der Ökotoxikologie ist in der bayerischen Hochschullandschaft sehr verstreut und hat sich in den letzten Jahren stark verringert. Ziel des Verbundes ist es daher, die ökotoxikologischen Forschungsaktivitäten nachhaltig miteinander zu vernetzen, um langfristig Know-how und Kompetenzen in diesem Bereich zu sichern und zu stärken.
Teilprojekt 4 - Einfluss von Feinstaub auf Insekten
An der Universität Bayreuth wird das Teilprojekt 4 an der Universität Bayreuth von Prof. Heike Feldhaar (Populationsökologie der Tiere) und Prof. Christian Laforsch (Lehrstuhl Tierökologie I) sowie Prof. Dr. Dieter Brüggemann (Lehrstuhl für Thermodynamik und Transportprozesse).
Untersucht werden Feinstaubpartikel, die aus motorischen Verbrennungsprozessen entstehen. Zudem wird in Kooperation mit Teilprojekt 5 der Effekt von Bremsabrieb auf Insekten untersucht. Aufgrund der physikochemischen Eigenschaften der Feinstaubpartikel können negative Effekte auf Insekten und deren Organismen auftreten. Es soll geklärt werden ob diese einen relevanten Anteil am Rückgang von Insekten haben können. Das Projekt soll zu einem besseren Verständnis der potentiellen negativen Auswirkungen von luftgetragenen Schadstoffen aus dem Verkehr beitragen und Impulse zur Weiterentwicklung technischer Lösungen geben, indem die Erdhummel als Bioindikator etabliert werden soll.
Bearbeitet wird das Teilprojekt von den Doktoranden Frederic Hueftlein und Dimitri Seidenath.
Weitere Informationen:
- Website des Teilprojektes 4 - Einfluss von Feinstaub auf Insekten
- Projektsteckbrief TP 4 - PDF
- Poster TP 4 - PDF
Gefördert durch:
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
(2020 - 2023)
Abgeschlossene Projekte
Aufstockungsantrag: Behavioural adaptibility of Daphnia and predator-prey-interactions
Gefördert durch: BMWI (2015)
How to live in a mosaic stressors an ecological genomics approach on the water flea Daphnia EUROCORES-EuroEEFG-Zoology (PAK 516)
STRESSFLEA wird genomische Instrumente entwickeln und einsetzen, um Muster und Mechanismen der Anpassung an anthropogene und natürliche Stressfaktoren in natürlichen Populationen zu entschlüsseln, wobei der Wasserfloh Daphnia magna als Modellsystem dient. Daphnia ist ein wichtiger Modellorganismus in der Ökologie, Evolutionsbiologie und Ökotoxikologie und entwickelt sich rasch zu einem führenden wirbellosen Modellorganismus in der ökologischen Genomik. Daphnien haben aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung und ihrer Lebenszyklusmerkmale (kurze Generationszeit, klonale Abstammungslinien, geschichtete ruhende Eibänke) eindeutige Vorteile als ökogenomisches Modell. STRESSFLEA zielt darauf ab, (1) Einblicke in die genomischen Grundlagen der genetischen Anpassung an spezifische Stressoren (Raub, Parasitismus, Unvorhersehbarkeit des Lebensraums, Metallverschmutzung) zu gewinnen; (2) Genfunktionen zu identifizieren, indem die Genexpression mit Merkmalswerten verknüpft wird; (3) Einblicke in die Genomik der Anpassung an mehrere Stressoren zu gewinnen; und (4) evolutionäre Prozesse über eine längere Zeitachse durch den Einsatz genomischer Marker und Kandidatengene in geschichteten Eibanken zu rekonstruieren. STRESSFLEA bringt die wichtigsten europäischen Forschungsgruppen zusammen, die genomische Ressourcen für die Untersuchung von Reaktionen auf Stressoren in natürlichen Daphnienpopulationen entwickeln (ergänzt durch eine zentrale Forschungsgruppe aus den USA), und kombiniert Transkriptomanalysen, gezielte Genomscans, QTL-Analysen und Genkartierung, Mikroarrays, Proteomik und Methylomanalysen, um Kandidatenloci und zugehörige SNP-Marker zu identifizieren, die Genfunktion zu analysieren und dieses Wissen anzuwenden, um die evolutionäre Dynamik in einem paläogenomischen Ansatz zu rekonstruieren und die Dynamik und Signatur lokaler Anpassung zu analysieren. Das Vermächtnis von STRESSFLEA umfasst einen soliden Einblick in die genomischen Grundlagen der lokalen Anpassung an einzelne und mehrere Stressoren, Einblicke in die Dynamik der mikroevolutiven Anpassung über längere Zeiträume, eine stark ausgearbeitete Genomik- und Transkriptomik-Toolbox für die ökologische Genomik unter Verwendung des Modellsystems Daphnia und ein fest etabliertes Netz europäischer Forschungsgruppen, die an der ökologischen und funktionellen Genomik natürlicher Populationen unter Verwendung von Daphnia als Modell zusammenarbeiten.
Gefördert durch:
- Deutsche Forschungsgemeinschaft 2010 - 2014 - Projektnummer 166183299
- Sumoen Akatemia (AKA), Finland
- Grantová agentura Ceské republiky (GACR), Czech Republic
- Schweizerischer Nationalfunds (SNF), Switzerland
- European Science Foundation, EuroEEFG
Facing multiple enemies: trade-offs between adaptive responses to predators and parasites in the context of inducible defenses.
Bild von nicht infizierten (linke Seite) und stark infizierten Daphnien-Wirten (aus dem D. longispina-Komplex). Diese Tiere wurden in den Kontrollmedien gehalten. Die Pfeile zeigen Regionen mit hoher Sporendichte an.
In der Natur treffen Organismen gleichzeitig auf eine Vielzahl von Feinden, was zu Kompromissen zwischen adaptiven Reaktionen führt. Bei der Interaktion zwischen Räubern und Beutetieren kann zum Beispiel ein Verteidigungsmerkmal gegen einen Räuber die Beute für einen anderen Räuber anfälliger machen. Daher ist die phänotypische Plastizität der Verteidigungsmerkmale der Beutetiere ein weit verbreiteter Mechanismus, um mit einem sich ständig verändernden Raubtierspektrum fertig zu werden. Die Kosten und Vorteile dieser induzierbaren Abwehrmechanismen wurden bisher noch nicht im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Exposition gegenüber Feinden auf verschiedenen funktionellen Ebenen, wie Raubtieren und Parasiten, untersucht. In dem hier zusammengefassten Forschungsprojekt haben wir die Auswirkungen einer solchen Situation mit mehreren Feinden untersucht. Insbesondere untersuchten wir die Kompromisse zwischen den morphologischen, lebensgeschichtlichen und verhaltensmäßigen Reaktionen der Beutetiere auf die Bedrohung durch Raubtiere und ihre Anfälligkeit für häufige und virulente Parasiten. Als Beute und Wirtstiere dienten uns Wasserflöhe (Daphnia), die in der Räuber-Beute- und Wirts-Parasiten-Forschung ein gut etabliertes Modellsystem darstellen und es uns daher ermöglichten, auf früher entwickelten Instrumenten und Methoden aufzubauen.Wir führten mehrere Laborexperimente durch, um unser Verständnis der adaptiven Plastizität und der Gemeinschaftsdynamik in einem Kontext mit mehreren Feinden zu verbessern.
Hier listen wir die wichtigsten Ergebnisse auf:
- Daphnien, bei denen die Abwehr induziert wurde, waren signifikant anfälliger für eine Infektion durch einen virulenten Hefeparasiten als unverteidigte Morphen (System: D. longispina - Fisch - Metschnikowia). Damit haben wir einen bisher unbekannten und umweltrelevanten Preis für induzierbare Abwehrmechanismen nachgewiesen.
- Einige der Reaktionen von Daphnien auf Parasiten wurden durch das Vorhandensein von Raubtierreizen verändert oder sogar umgekehrt (System: D. longicephala - Rückenschwimmer - Metschnikowia). So verzögerte sich beispielsweise die Zeit bis zur Geschlechtsreife weiter, wenn die Daphnien beiden Bedrohungen ausgesetzt waren, als bei alleiniger Belastung durch Parasiten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von Parasiten auf Wirtsarten stark von der Anwesenheit weiterer Bedrohungen abhängen.
- Der Parasit unterdrückte induzierbare Abwehrkräfte, die gegenüber einem Räuber (System: D. magna - Kaulquappe - Metschnikowia), nicht aber gegenüber einem anderen Räuber (System: D. magna - Fisch - Metschnikowia) zum Ausdruck kamen. Unsere Studie deutet darauf hin, dass bestimmte induzierbare Abwehrmechanismen, die sich in ihren Kosten unterscheiden, unterdrückt werden könnten, wenn ein Beutetier zusätzlich infiziert ist.
- Der Parasit zeigt eine höhere Virulenz bei Daphnien, die in jungem Alter infiziert werden (System: D. magna - Metschnikowia). Die Verwendung von Versuchsprotokollen mit nicht standardisierten Infektionszeitpunkten kann daher zu Schwierigkeiten beim Vergleich der Ergebnisse führen und möglicherweise sogar die Auswirkungen der Parasiten unterschätzen, da eine Infektion in einem frühen Lebensalter zu einer geringeren Fitness führen kann.
- Im Gegensatz zu einer früheren Studie, die an einer anderen Parasitenart durchgeführt wurde, konnte kein mütterlicher Einfluss auf die Resistenz, die Lebensgeschichte oder die Morphologie der Nachkommen festgestellt werden (System: D. magna - Metschnikowia). Wir gehen davon aus, dass die Übertragung von mütterlichen Effekten in Daphnienwirten parasitenspezifisch ist. Insgesamt erweitert dieses Projekt unser Verständnis von adativer phänotypischer Plastizität und ihrer Evolution. Darüber hinaus zeigen wir, dass man viele zusätzliche Parameter (wie das Alter der Infektion oder mütterliche Effekte) berücksichtigen muss, um die Rolle von Wirt-Parasit- (und Räuber-Beute-) Interaktionen in aquatischen Systemen besser einschätzen zu können.
Gefördert durch:
Deutsche Forschungsgemeinschaft 2010 - 2014 - Projektnummer 165935089
Publikationen (Auswahl)
- Engelbrecht, W.; Hesse, O.; Wolinska, J.; Laforsch, C. (2013)
Two threats at once : encounters with predator cues alter host life-history and morphological responses to parasite spores. Hydrobiologia. https://doi.org/10.1007/s10750-012-1396-2. - Hesse, O., Engelbrecht, W., Laforsch, C., Wolinska, J. (2012)
Fighting parasites and predators: How to deal with multiple threats?
BMC Ecology https://doi.org/10.1186/1472-6785-12-12 - Yin, M., Laforsch, C., Lohr, J. N., Wolinska, J. (2011)
Predator-induced defense makes Daphnia more vulnerable to parasites.
Evolution https://doi.org/10.1111/j.1558-5646.2011.01240.x